Um zu lernen, selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln, die eigene Meinung zu vertreten und die Meinung anderer zu achten sowie in religiösen und weltanschaulichen Fragen persönliche Entscheidungen zu treffen und Verständnis und Toleranz gegenüber den Entscheidungen anderer zu entwickeln, bedarf es auch der Auseinandersetzung mit kontroversen Themen in der Schule. Für den Unterricht bietet hierfür der sogenannte „Beutelsbacher Konsens“ eine Leitlinie.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt auch für Lernende in Schule und Unterricht. Es muss ihnen ermöglicht werden, ihre Meinung angstfrei zu äußern. Die Grenze freier Meinungsäußerung ist erreicht, wenn sich Äußerungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten und insbesondere antidemokratische, rassistische, extremistische oder antisemitische Äußerungen beinhalten.
Politische Äußerungen von Lernenden können im Unterricht Anlass sein, das damit verbundene Thema aufzugreifen und im Sinne des „Beutelsbacher Konsens“ ausgewogen zu thematisieren.
Lehrkräfte sind unabhängig von Schulform oder Unterrichtsfach verpflichtet, Lernenden eine klare Haltung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu vermitteln, für diese einzutreten und auf die Einhaltung der zugrundeliegenden Ideen dieser Ordnung zu achten. Lehrkräfte müssen dabei auch antidemokratischen, rassistischen, extremistischen und antisemitischen Äußerungen deutlich entgegentreten.
Für die Intervention ist ein selbstsicheres, bestimmtes und ruhiges Auftreten der Lehrkraft hilfreich. Ebenso hilfreich sind hier sachbezogene, kurze und eindeutige Aussagen oder Aufforderungen.
Dabei sollte sich die Lehrkraft nicht auf einen „Schlagabtausch“ auf der Ebene antidemokratischer, recht- oder linksextremer oder rassistischer Parolen einlassen und inhaltlich auf Provokationen eingehen. Gerade wenn Schülerinnen und Schüler der Lerngruppe oder der Schule betroffen sind, muss auch diesen gegenüber eine schützende Haltung eingenommen werden.
Jede Lehrkraft muss für sich in der jeweiligen Situation entscheiden, welche Form der Intervention die geeignete ist. Solche Äußerungen können Anlass sein, sich im Unterricht bzw. in der Schule mit den damit sich verbindenden Motiven intensiv auseinanderzusetzen. Des Weiteren reicht das Spektrum vom Einzelgespräch über die Einbeziehung von Schulsozialarbeit oder externen Beratungsstellen, dem Jugendamt oder Unterstützungsangeboten des Verfassungsschutzes bis hin zu formalen Maßnahmen wie Ordnungsmaßnahmen oder - in besonderen Fällen - auch der Einbeziehung der Strafverfolgungsbehörden. Im ersten Zugang sollten immer pädagogische Maßnahmen stehen.
Der Umgang mit politischen Äußerungen von Lernenden, die die Grenze der Meinungsfreiheit überschreiten, kann auch Thema des Austausches innerhalb des Kollegiums sein. Für mehr Sicherheit im Umgang mit antidemokratischen Äußerungen kann eine Schule auch Instrumente wie die Kollegiale Fallberatung einsetzen.
Die gebotene politische Neutralität der Schule verbietet es den Schulleiterinnen und Schulleitern, Werbematerial politischer Parteien oder Einladungen zu parteipolitischen Veranstaltungen an die Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler oder die Eltern weiterzuleiten. Schule darf nicht als „Postverteilstelle“ für parteipolitische Werbung genutzt werden (vgl. § 56 SchulG). Auch das Aushängen entsprechender Einladungen oder Plakate verbietet sich damit.
Von der Einladung zu parteipolitischen Veranstaltungen über die Schule zu trennen ist das Recht von Abgeordneten und Parteien, politische Veranstaltungen – auch in schulischen Gebäuden außerhalb der Unterrichtszeit – durchzuführen und dazu beispielsweise über die Medien oder über Plakate außerhalb der Schule auch Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler einzuladen.
Politikerinnen und Politiker haben auch das Recht, sich vor Ort über die schulische Situation zu informieren und Gespräche mit Schulleiterinnen und Schulleitern zu führen.
Bei der Behandlung von aktuellen politischen oder weltanschaulichen Themen im Unterricht oder vor Kommunal-, Landtags-, Bundestags- oder Europawahlen laden Schulen manchmal Politikerinnen und Politiker zu Podiumsdiskussionen oder in den Unterricht ein. Derartige Veranstaltungen sind grundsätzlich möglich. Dabei ist aber in besonderem Maße auf das Neutralitätsgebot zu achten und Zurückhaltung zu empfehlen. Aus dem Neutralitätsgebot ergibt sich, dass nicht nur Vertreterinnen und Vertreter einzelner Parteien eingeladen werden dürfen. Dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien ist bei der Bestimmung des Teilnehmerkreises für eine schulische Veranstaltung Rechnung zu tragen. Allerdings besteht auch kein Anspruch jeder politischen Gruppierung auf Einladung. Sofern Zweifel an der Herstellung der gebotenen Pluralität und Ausgewogenheit bestehen, wird empfohlen, auf die Teilnahme an bzw. die schulische Organisation einer Veranstaltung zu verzichten. Vor Wahlen sollte ein zeitlicher Abstand von ungefähr 6 Wochen gewahrt sein. Die Veranstaltung sollte sich thematisch auf Politikbereiche beziehen, die einen sachlichen Bezug zur Schülerschaft haben.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang eine gute Vor-, aber auch Nachbereitung einer solchen Veranstaltung oder eines Besuchs von Politikern im Unterricht auf der Grundlage des „Beutelsbacher Konsens“. So ergibt sich auch die Möglichkeit – sofern notwendig – Haltungen und Äußerungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen, als solche zu benennen und zu reflektieren.
Lehrkräfte dürfen auch mit Schülergruppen im Rahmen des Unterrichts an Demonstrationen teilnehmen. Weitergehende Hinweise enthält das Bildungsportal unter: https://www.schulministerium.nrw/teilnahme-schuelerstreiks-und-demonstrationen
Der Teilnahme an einer Demonstration sollte eine angemessene Vor- und Nachbereitung im Unterricht unter Beachtung des „Beutelsbacher Konsens“ vorausgehen.
Auch außerhalb der Dienstzeit müssen Lehrkräfte das Vertrauen in das Bildungssystem und dessen Zuverlässigkeit und Neutralität wahren und sicherstellen, dass der Lehrberuf als vertrauenswürdig und unparteiisch wahrgenommen wird. Beamtinnen und Beamte müssen das Mäßigungsgebot gemäß § 33 Beamtenstatusgesetz NRW beachten. Daher müssen sie zum Beispiel auf stark polarisierende Äußerungen in der Öffentlichkeit – auch in den sozialen Medien – verzichten. Dies gilt insbesondere, wenn diese Äußerungen die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stellen.
Tarifbeschäftigte dürfen aufgrund ihrer arbeitsrechtlichen Treuepflicht das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers durch ihr Verhalten nicht deutlich fühlbar beeinträchtigen.
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