Kompetenzen werden im Handeln von Menschen sichtbar. Ob jemand etwas weiß, also über das zur Lösung eines Problems notwendige Wissen oder über die Fähigkeit zur Erörterung eines Problems und Herausbildung eines eigenen (politischen) Urteils verfügt, lässt sich erst in der konkreten Handlung ablesen, der Performanz-Situation. Es reicht nicht aus, etwas zu können, sondern es muss verstanden und sichtbar werden. Kompetenzen umfassen Wissen, Wollen und Handeln zugleich: der handelnde Umgang mit Wissen. In der HPB gehört hierzu insbesondere die Bereitschaft dazu, sich für die Demokratie verantwortungsvoll einzusetzen.
Kompetenzorientierter Unterricht soll Lernende dazu befähigen, Gelerntes in Anforderungssituationen anzuwenden und diese bewältigen wollen zu können.
Eine ideale Lernsituation versetzt die Lernenden in eine von Lehrenden gestaltete Lernumgebung, die sie in eine solche Anforderungssituation versetzt, in der sie sich intensiv mit dem Lerngegenstand auseinandersetzen können (kognitive Aktivierung). Beim kompetenzorientierten Unterricht wird das Lernen in den Blick genommen, da hier die Kompetenzen erworben werden. Für einen gelingenden Lernprozess bildet ein sorgfältig geplanter Lehrprozess zumeist die Grundlage, jedoch existiert kein Automatismus.
Was heißt „kompetenzorientiert unterrichten“ in Geschichte und Politik?
Kompetenzen lassen sich nicht einfach von Lehrerinnen und Lehrern im Sinne einer Übertragung unterrichten. Kompetenzen werden von den Schülerinnen und Schülern aktiv selbst in Auseinandersetzung mit einem Lerngegenstand erworben. Lehrerinnen und Lehrer fällt die Aufgabe zu, hierzu eine geeignete Lernumgebung vorzubereiten, welche den Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterstützt. Es reicht eben nicht, bloß die Argumente für Pro- und Contra zu einer Fragestellung zu verschriftlichen, sondern mit diesen in einer Diskussion zu arbeiten, um sich am Ende ein eigenes differenziertes Urteil bilden zu können. Hier bedarf es zu der Kompetenzerreichung z.B. einer diskursiven Lernumgebung.
Um kompetenzorientiert zu unterrichten, gilt es demnach neben dem Prozess des Lehrens auch den Prozess des Lernens in den Blick zu nehmen. Beide ergänzen sich wechselseitig und sind eng miteinander vernetzt.
„Lernen“ ist ein Prozess, den die Lernenden vollziehen. Die Aufgabe der Lehrenden besteht darin, sie in diesem Lernprozess zu unterstützen, indem sie steuern, moderieren und die Lernumgebung professionell gestalten. (Vgl. Helmke, Andreas (2021): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. 8. Auflage. Klett Kallmeyer. Seelze. Hier: Das Angebots-Nutzungsmodell der Lernwirksamkeit).
Geschichts- und Politikunterricht findet nicht in einem von der Lebenswelt abgekapselten Raum statt, sondern immer vor dem Hintergrund von Einstellungen, Vorstellungen, Prä-Konzepten und Überzeugungen von sowohl den Lernenden als auch Lehrenden. Diese fließen als diagnostizierte Lernvoraussetzungen in die Planung von Geschichts- oder Politikunterricht ein, um z.B. individuelle Einstellungen auf ihre Gültigkeit hin zu hinterfragen.
Lernen
Schülerinnen und Schüler bringen bereits einen Grundstock an Kompetenzen mit in den Geschichts- oder Politikunterricht, der sich aus vergangenen Lernprozessen, Erfahrungen und Vorwissen speist. Im Idealfall eines gelungenen Geschichts- oder Politikunterrichts verlassen sie ihn mit erweiterten und verbesserten fachspezifischen Kompetenzen.
Man kann den Lernprozess hierbei in eine zeitliche Abfolge von mehreren Lernschritten unterteilen:
1. Lernschritt: Problemstellung entdecken / Im Lernkontext ankommen
Schülerinnen und Schüler sollen zum Einstieg zunächst „abgeholt“ werden und mit etwas konfrontiert werden, das ihr Vorwissen aktiviert, sie herausfordert oder provoziert und sie in den neuen Lernkontext einführt. In der HPB entfalten bzw. entdecken die Lernenden eine Problemstellung, welche für die (zukünftige) Lebenswelt und Gesellschaft im Allgemeinen eine besondere Bedeutung hat.
2. Lernschritt: Vorstellungen entwickeln
3. Lernschritt: Lernmaterial bearbeiten / Lernprodukt erstellen
Ausgehend von diesen Hypothesen, Deutungsansätzen und Bearbeitungsideen zu der Problemstellung brauchen die Lernenden neue Informationen und Daten. Diese lassen sich aus geeigneten Lernmaterialien (Texte, Arbeitsblätter, Bilder, Experimentiermaterialien etc.) entnehmen, welche die Lehrenden entweder direkt (Vortrag, Input) oder durch Methoden (Recherche, Auswertung) beisteuern und von den Lernenden in geeigneten Sozialformen bearbeitet werden. Die Lernprodukte, die dabei entstehen, können materieller (Texte, Mindmap, Experiment etc.) oder immaterieller (Erkenntnisse, kognitive Strukturen, Urteile etc.) Art sein. In dieser Phase findet ein wesentlicher Lernzuwachs im Sinne des Kompetenzerwerbs statt, welcher allerdings noch in der Schwebe und labil ist und deshalb unbedingt der Festigung bedarf.
4. Lernschritt: Lernprodukt diskutieren
Während der Bearbeitung der Lernmaterialien bzw. der Erstellung des Lernprodukts weichen alte Vorstellungen neuen oder werden ausgeweitet, präzisiert und ausgeschärft. Durch die Artikulation, den anschließenden Vergleich mit den Ergebnissen der anderen und die Diskussion werden diese umgewälzt und verhandelt. Ziel ist hier das gemeinsame Herausschälen und Verständigen auf einen gemeinsamen Kern neuer Erkenntnisse im diskursiven Prozess.
5. Lernschritt: Sichern und Vernetzen
Zunächst sichern die Lernenden das Gelernte im Sinne des Kompetenzzugewinns und vergleichen es mit den im zweiten Schritt entwickelten Vorstellungen, um den eigenen Lernzuwachs zu ermitteln. In der Regel ist das neu Gelernte in Auseinandersetzung mit einem bestimmten Gegenstand erworben worden. Um die Übertragbarkeit auf andere Gegenstände sicherzustellen und damit das neu Gelernte nicht nur im Gedächtnis abzurufen, ist die Dekontextualisierung wichtig, um universell darüber verfügen zu können. Bei der Vernetzung geht es um die Übertragung auf andere Problemstellungen, Kontexte, Gegenstände etc.
(Haben die Schülerinnen und Schüler z.B. an einem konkreten Beispiel den Umgang mit geschichtskulturellen Zeugnissen der deutschen Kolonialgeschichte bewertet, so gilt es im nächsten Schritt, den Kompetenzerwerb auf andere Gegenstände auszuweiten und das Gelernte anzuwenden).
6. Lernschritt: Transferieren und festigen
Ziel ist die nachhaltige Festigung des Lernzuwachses im Sinne des Kompetenzerwerbs im Langzeitgedächtnis. Das neu Gelernte soll im Kontext anderer Aufgabenstellungen angewendet werden (Rekontextualisierung), um Auskunft darüber zu erhalten, ob der Kompetenzzuwachs zu einem erfolgreichen Handeln beigetragen hat.
Achour, Sabine; Frech, Siegfried; Massing, Peter; Strassner, Veit (Hg.) (2020): Methodentraining für den Politikunterricht. Wochenschau Verlag. Frankfurt a.M. S. 51/52.
Vgl. Leisen, Josef (2018): Was Lehrkräfte brauchen – Ein praktikables Lehr-Lern-Modell. Stand: 02.05.2018.
Die Schrittfolge umfasst eine Lerneinheit, die wiederum eine oder mehrere Unterrichtsstunden umfassen kann. In einer 45-minütigen Unterrichtsstunde mit ihrer Phasierung lassen sich die Schritte des Modells nur schwerlich verwirklichen und laufen dem Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler aufgrund der Zeitknappheit sogar mitunter zuwider. Für den kompetenzorientierten Unterricht ist die Erstellung und Verhandlung der Lernprodukte sowie die Sicherung und Festigung des Gelernten im Sinne des Kompetenzerwerbs unverzichtbar, wohingegen Verzweigungen, Wiederholungen oder Überspringen von Schritten erlaubt sind, wenn sie sich begründen lassen.
Lehren
Lehrerinnen und Lehrer steuern den Lernprozess durch die professionelle Gestaltung der Lernumgebung. Sie gestalten durch die Formulierung von Aufgaben (1), das Beschaffen von Lernmaterialien und Medien, die Auswahl von Methoden (2) sowie die Moderation von Unterrichtsgesprächen (3) und individueller Rückmeldung (4) eine Umgebung, die das Lernen der Schülerinnen und Schüler – den individuellen Kompetenzerwerb – bestmöglich fördert.
Die Aufgaben sollten kalkuliert herausfordernd sein, die Materialien und Methoden erfolgreich unterstützend, die Moderation modellhaft erweiternd und schließlich die Rückmeldungen korrigierend ermutigend. Neben der Diagnose der Lernvoraussetzungen der Lernenden diagnostizieren die Lehrenden über die gesamte Lerneinheit die Handlungen der Lernenden, um adäquat moderieren und Rückmeldungen geben sowie einfordern zu können.
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