
Was sind Aufgaben und Ziele des Faches Politik? Entwicklung politischer Mündigkeit!
Politische Bildung hat die Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler in der Entwicklung ihrer politischen Mündigkeit zu unterstützen. Sie sollen grundlegende Probleme der Gegenwart analysieren und zukünftige Herausforderungen erkennen können. Hierzu ist das Verstehen von Macht- und Herrschaftsstrukturen sowie die Reflexion deren Legitimation und Interessengebundenheit nötig. Dabei sollen verallgemeinerungsfähige Normen anerkannt werden. Das Fach Politik ist hierbei zentraler Ort, in dem politisches Wissen und methodische Fähigkeiten vermittelt und die Entwicklung von politischer Urteilskompetenz und politischer Handlungskompetenz unterstützt werden.
Das Fach Wirtschaft-Politik hat darüber hinaus die Aufgabe, die ökonomische Mündigkeit der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler durch die Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Problemlagen, Prozessen, Strukturen und Modellen dazu zu befähigen, komplexere wirtschaftliche Zusammenhänge zu analysieren, um ihre Interessen in der heutigen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft mündig zu vertreten, sachkundig zu urteilen und verantwortungsvoll sowie demokratisch zu handeln.
Die Ansichten zum Politikbegriff in der politischen Bildung sind vieldimensional. „Selbst die Politikwissenschaft, die das Nachdenken über Politik professionell betreibt, verfügt über keinen einheitlichen und verbindlichen Politikbegriff, sondern über eine Vielzahl von Politikbegriffen.“ (Massing 2007, S. 282). Entsprechend zahlreich sind auch die Ansichten darüber, was die Ziele des Faches Politik sein sollen. Dennoch wird weder in der Wissenschaft noch in der "Praxis prinzipiell in Frage gestellt, dass es zu den wichtigen Aufgaben von Politikunterricht gehört:
- Interesse an Politik zu wecken;
- Schüler*innen mit Instrumenten und Kompetenzen auszustatten, die sie zur selbstständigen Analyse und Beurteilung politischer Probleme, Konflikte oder Sachfragen befähigen;
- sie zur politischen Beteiligung zu ermutigen und ihnen dazu entsprechende Handlungskompetenzen zu vermitteln und
- sie zu veranlassen, sich mit den werten zu identifizieren, die nach allen Erfahrungen Grundlagen menschenwürdigen Zusammenlebens sind.“ (Achour/Frech/Massing/Straßner 2020, S. 15)
Achour, Sabine [et al.] (Hg.) (2019): Methodentraining für den Politikunterricht. Wochenschau Verlag. Frankfurt a.M.
Was ist Politik?
Stimmen zum Politikbegriff
Für mich ist Politik die gemeinsame Regelung gemeinsamer Angelegenheiten – für alle und durch alle. […]
Politik ist die Herstellung allgemein verbindlicher Regelungen im Hinblick auf alle Bürgerinnen und Bürger betreffende öffentliche Angelegenheiten. […]
In Anlehnung an einen pragmatischen Politikbegriff von John Dewey entsteht Politik dann, wenn Handlungen von Menschen beabsichtigte und unbeabsichtigte Auswirkungen auf andere Menschen haben und diese Auswirkungen als regulationsbedürftig empfunden werden. […]
Der Sinn von Politik ist Freiheit. Politische Fragen sind damit Fragen nach der Ermöglichung von Freiheit in unterschiedlichen Sphären. […]
Ich verstehe unter Politik in der Demokratie eine situationsbezogene, pragmatisch zu bewältigende Aufgabe, mittels gesamtgesellschaftlich verbindlichen Entscheidungen das Zusammenleben von Menschen angesichts bestehender Wert- und Interessendivergenzen zu regeln und gemeinsame Probleme kommunikativ sowie unter Berücksichtigung von Grundwerten zu lösen. […]
Politik ist der Modus der öffentlichen und nicht-öffentlichen, argumentativen und nicht-argumentativen Konfliktaustragungen zwischen Interessengruppen, mit dem Ziel, eigene Deutungsansprüche über Machtausweitung in allgemeinverbindliche Entscheidungen zu verwandeln. […]
Kern des Politischen ist also nicht das möglichst reibungslose Funktionieren von staatlichen Institutionen und effizienten Problemlösungen – das wäre konsensuelle Verwaltung oder "Polizei"- sondern der Dissens, die Frage, welche Probleme thematisiert, welche Stimmen gehört und welche Vorstellungen des Gemeinwohls nicht verhandelt werden. […]
Pohl, Kerstin (Hg.) (2016): Positionen der politischen Bildung. Interviews zur Politikdidaktik. Bd. 2. Wochenschau Verlag. Schwalbach/Ts.
Was sind die Ziele des Faches Politik? Stimmen zu den Zielen des Faches Politik
Anstatt eines politischen Dauerengagements halte ich den "politischen Interventionsbürger“ für ein realistisches Ziel. Er stellt gewissermaßen einen Kompromiss zwischen dem Bürger als Zuschauer und dem Aktivbürger dar, indem er sich nur in die Politik einmischt, wenn er diese Intervention für unbedingt notwendig hält. Die Schülerinnen und Schüler sollten demnach im Unterricht nicht nur lernen, über politische Ereignisse und Probleme zu urteilen, sondern auch, wie sie sich selbst in die Politik einmischen können, um ihre oder auch die Interessen anderer zu vertreten.
Politikunterricht hat die Aufgabe, dem künftigen ‚Normalbürger‘ des demokratischen Gemeinwesens ein Grundverständnis für Politik zu vermitteln und seine Bereitschaft zu politischer Beteiligung zu fördern. Dazu gehört ein gewisses Maß an politischem Interesse; sodann die Fähigkeit, Informationsquellen kritisch zu benutzen; politische Prozesse, wie sie heute in den Massenmedien präsentiert werden, zu verstehen; die eigenen Interessen und Rechte in Bezug auf kontroverse politische Fragen zu erkennen; sich ein begründetes Urteil zu bilden und dieses im politischen Gespräch mit Toleranz für andere Positionen zu vertreten.
Das allgemeine oberste Lernziel der politischen Bildung ist die Befähigung zur aktiven Wahrnehmung der Bürgerrolle durch Entwicklung einer demokratischen politischen Identität.
Zentrale Kompetenzen, die die politische Bildung vermitteln sollte, sind:
Urteilskompetenz mit den Facetten der Sachurteilskompetenz („Was ist?“) und der Werturteilskompetenz („Was soll sein?“);
Handlungskompetenz als die Fähigkeit des Handelns im Konflikt;
Partizipationsfähigkeit als die Fähigkeit der Beteiligung am öffentlichen politischen Geschehen;
Politische Orientierung bzw. Einstellung.
Wenn der zentrale Inhalt des Politikunterrichts ‚die Politik‘ ist, dann ist für mich sein wichtigstes Ziel ‚Politikbewusstsein‘. Unter Politikbewusstsein verstehe ich die Fähigkeit zur kognitiven Orientierung in Politik und Gesellschaft, das Interesse an öffentlichen Aufgaben, die Sensibilität für gesellschaftlich-politische Probleme in den verschiedenen Aufgabenfeldern der Politik sowie die Einsicht in Komplexität und die Zusammenhänge genereller politischer Regelungen.
Das allgemeine Ziel des Politikunterrichts sollte sein, mittels aktueller politischer Ereignisse exemplarisch über grundlegende Inhalte des Politischen orientierend einzuführen, aufzuklären und Kompetenzen zu vermitteln, die für eine politische Urteils- und Handlungsfähigkeit nötig sind.
Unabhängig von individuellen, wissenschaftlichen oder auch länderspezifischen Akzentuierungen finden sich in der Bundesrepublik Deutschland eine große Übereinstimmung bei den grundlegenden Zielen des Politikunterrichts in der Schule. Solche Ziele sind vor allem: Interesse an Politik zu wecken, die Voraussetzungen für eine selbstständige politische Analyse und Urteilsfähigkeit zu schaffen und eine Identifizierung mit den demokratischen Werten zu ermöglichen, die unverzichtbare Grundlage menschenwürdigen Zusammenlebens sind.
Ein so beschaffenes Politikbewusstsein basiert auf einer Voraussetzung, deren Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Die gemeinte Voraussetzung ist die Mündigkeit des Menschen. Die Mündigkeit des Menschen gilt in der Gegenwart unbestritten als das höchstrangige Erziehungs- und Bildungsziel der Schule. Alle weiteren Erziehungs- und Bildungsaufgaben müssen mit der Mündigkeit vereinbar sein. Man kann auch sagen, dass diese Aufgaben im Grunde nur Konkretisierungen oder Anwendungen der Mündigkeit sind.
Die politische Mündigkeit besteht aus spezifisch politischen Elementen. Dies muss so sein, denn sonst wäre sie mit der allgemeinmenschlichen Mündigkeit identisch. Es versteht sich außerdem, dass die politische Mündigkeit den Intentionen der übergeordneten allgemeinmenschlichen Mündigkeit nicht widersprechen darf. Die politische Mündigkeit des Bürgers in der Demokratie setzt sich im Wesentlichen aus drei Qualitäten zusammen. Zunächst gehört zur politischen Mündigkeit ein Bestand an politischem Wissen. Mit diesem Wissen ist weniger ein vereinzeltes Faktenwissen als vielmehr ein konzeptuelles Deutungswissen gemeint, welches eine Orientierung im unübersichtlichen Feld der Politik erlaubt. Dann ist das politische Verantwortungsbewusstsein ein Bestandteil der politischen Mündigkeit. Der Einzelne hat zwar im Regelfall keinerlei rechtliche Verantwortung für das Gedeihen des Gemeinwesens. Aber die politische Mündigkeit mutet ihm so etwas wie ein moralisches Verantwortungsbewusstsein zu. Dieses besteht darin, der Politik ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit zu schenken, dabei intentional auf das Wohl des demokratischen Gemeinwesens bedacht zu sein sowie in politischen Dingen rational und nicht affektiv zu urteilen und zu handeln. Schließlich bilden Partizipation und Engagement einen Bestandteil der politischen Mündigkeit. Mündigkeit liegt aber nicht erst dann vor, wenn ein Maximum an politischem Engagement und politischer Partizipation praktiziert wird. Denn dies käme einem Zwang zur Aktivität gleich, was mit der die Mündigkeit ausmachenden Selbstständigkeit des Denkens und Handelns nicht vereinbar wäre. Politische Mündigkeit ist daher bereits dann gegeben, wenn der Einzelne weiß, wie er gegebenenfalls politisch aktiv werden kann, und wenn er imstande ist abzuschätzen, welche Anstrengungen dabei auf ihn zukommen und welche Erfolgsaussichten sein Engagement hat.
Ackermann, Paul [et al.] (2018): Politikdidaktik kurz gefasst. 13 Planungsfragen für den Politikunterricht. 5. Auflage. Wochenschau Verlag. Franklfurt a.M.
Detjen, Joachim (2013): Politische Bildung - Geschichte und Gegenwart in Deutschland. 2. Auflage. Oldenbourg-Verlag. München.
Pohl, Kerstin (Hg.) (2016): Positionen der politischen Bildung. Interviews zur Politikdidaktik. Bd. 2. Wochenschau Verlag. Schwalbach/Ts.