
Welches Geschichtsbewusstsein liegt hier zugrunde?
Die öffentliche Debatte über die Verunglimpfung und Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus am Beispiel des Vergleichs mit Sophie Scholl und der Umdeutung des "Judensterns" zum Davidstern "ungeimpft".
Was?
Welches Geschichtsbewusstein liegt hier zugrunde? Die öffentliche Debatte über die Verunglimpfung und Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus am Beispiel des Vergleichs mit Sophie Scholl und der Umdeutung des "Judensterns" zum Davidstern "ungeimpft"
Wohin?
Je nach Schwerpunktsetzung können folgende Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern gefördert werden. Im Folgenden seien einige Kompetenzen aus dem aktuellen KLP Geschichte SI und dem KLP Wirtschaft-Politik SI für das Gymnasium genannt. Diese Kompetenzen finden sich zumeist inhaltsgleich auf lediglich anderen Niveaustufen auch in den Lehrplänen der Gesamt-, Real- und Hauptschule. Das UV kann je nach Ausgangslage an die Lerngruppe angepasst werden.
Geschichte
Übergeordnete Kompetenzen bis zum Ende der SI:
Die Schülerinnen und Schüler
- ordnen historische Zusammenhänge unter Verwendung historischer Dimensionen und grundlegender historischer Fachbegriffe (SK 7), S. 25.
- recherchieren in Geschichtsbüchern, digitalen Medienangeboten sowie ihrem schulischen und außerschulischen Umfeld und beschaffen zielgerichtet Informationen und Daten zu historischen Problemstellungen (MK 2), S. 26.
- vergleichen Deutungen unter Berücksichtigung der Geschichts- und Erinnerungskultur, außerschulischer Lernorte und digitaler Deutungsangebote und nehmen kritisch Stellung dazu (UK 5), S. 26.
Inhaltsfeld 9: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
Konkretisierte Kompetenzen:
Die Schülerinnen und Schüler
- erläutern Merkmale des totalen Staates und Stufen seiner Verwirklichung im Nationalsozialismus (SK 1), S. 32.
- erläutern Maßnahmen, deren Zielsetzungen und ihre Auswirkungen auf Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Andersdenkende, Euthanasieopfer und Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter von Seiten des NS-Staates (SK 3), S. 32.
- erörtern an Beispielen Handlungsspielräume der Menschen unter den Bedingungen der NS-Diktatur (UK 2), S. 33.
- erörtern die sich aus der nationalsozialistischen Vergangenheit ergebende historische Verantwortung im Umgang mit der eigenen Geschichte (UK 4), S. 33.
Inhaltsfeld 10: Gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Entwicklungen in Deutschland seit 1945
Konkretisierte Kompetenzen:
Die Schülerinnen und Schüler
- bewerten Formen der kollektiven Erinnerung sowie der juristischen und politischen Aufarbeitung der NS-Gewaltherrschaft, des Holocausts und der Verfolgung und Vernichtung von Minderheiten und Andersdenkenden in beiden deutschen Staaten (UK), S. 35.
Wirtschaft-Politik
Übergeordnete Kompetenzen bis zum Ende der SI:
Die Schülerinnen und Schüler
- beurteilen kriterienorientiert verschiedene wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Interessen hinsichtlich der zugrundeliegenden Wertmaßstäbe und ihrer Verallgemeinerbarkeit (UK 2), S. 25.
- bewerten Strukturen und Handlungsoptionen innerhalb ökonomischer und politischer Entscheidungsprozesse, auch unter Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien (UK 3). S 25.
- vertreten die eigene Position auch in der Auseinandersetzung mit kontroversen Sichtweisen (HK 1), S. 26.
- stellen – auch simulativ – Positionen dar, die mit ihrer eigenen oder einer angenommenen Position konkurrieren (HK 4), S. 27.
Inhaltsfeld 2: Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie
Konkretisierte Kompetenzen:
Die Schülerinnen und Schüler
- stellen das Konzept des demokratischen Rechts- und Verfassungsstaates sowie seiner Organe dar (SK 1), S. 28.
- erläutern die Bedeutung medialer Einflüsse auf den Willensbildungsprozess (SK 5), S. 28.
- beurteilen das Spannungsfeld zwischen innerer Sicherheit und Freiheitsrechten im Sinne des Grundgesetzes (UK 2), S. 28.
Medienkompetenzrahmen
MKR Spalte 2 „Informieren und Recherchieren“
2.3 - Informationsbewertung
2.4 - Informationskritik
MKR Spalte 4„Produzieren und Präsentieren“
4.1 - Medienproduktion und Präsentation
4.2 - Gestaltungsmittel
MKR Spalte 5„Analysieren und Reflektieren“
5.2 Meinungsbildung
MKR Spalte 6 „Problemlösen und Modellieren“
6.1 Prinzipien der digitalen Welt
1. Im Lernkontext ankommen
Interaktion und Kommunikation
Was soll in der jeweiligen Phase geschehen?
Die Lehrkraft zeigt das erste Video M1 "Hallo, ich bin Jana aus Kassel. Ich fühle mich wie Sophie Scholl"
Der Kontext wird im Anschluss gemeinsam geklärt (Demo gegen Masken- und Impfpflicht in Hannover, „Corona-Protest“ der „Querdenker“ gegen die Corona-Verordnungen).
Je nach Vorwissen der Lerngruppe wird der Begriff des Geschichtsbewusstseins wiederholt bzw. darüber informiert:
- Reflektiertes Geschichtsbewusstsein: Unter Rückgriff auf die Vergangenheit wird ein Phänomen in der Gegenwart reflektiert und gedeutet.
Leitfragen: Welches Geschichtsbewusstsein liegt bei Jana vor? Welches Geschichtsbewusstsein liegt beim Ordner vor?
Problemfrage formulieren:
- Problematisierung anhand der Reaktion des Ordners auf das Geschichtsbewusstsein von Jana aus Kassel
- Unlautere Vergleiche (Widerstand, Vergleich mit Sophie Scholl, Gleichsetzung der BRD mit dem Nationalsozialismus)
Moderiertes UG SuS - L
Erwartungen und Intentionen
Was soll mit dieser Phase konkret erreicht werden?
Jana verfügt über ein unreflektiertes Geschichtsbewusstsein, warum soll im Folgenden mit den Schülerinnen und Schülern geklärt werden. Welche Informationen fehlen ihr, von welchen falschen Annahmen geht sie aus?
Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit der Reaktion des Ordners auseinander. Kann man seine Entrüstung nachvollziehen?
Material
Womit soll das umgesetzt werden?
M1: Video: „Hallo, ich bin Jana aus Kassel. Ich fühle mich wie Sophie Scholl“:
2. Vorwissen aktivieren
Interaktion und Kommunikation
Was soll in der jeweiligen Phase geschehen?
Die Schülerinnen und Schüler formulieren Hypothesen zu den Äußerungen von Jana und ihrem Vergleich mit Sophie Scholl: „Welches Geschichtsbewusstsein liegt bei Jana zugrunde?“
Die Beiträge werden gut sichtbar gesammelt (Tafel, digitale Lernumgebung).
Falls die Schülerinnen und Schüler über kein Vorwissen zu Sophie Scholl verfügen, bietet sich das Material M2 „Bericht aus dem Redaktionsnetzwerk“ an.
„Welches Bewusstsein bzw. Verständnis von Geschichte besitzt Jana? Befinden sich die beiden jungen Frauen im Widerstand? Droht Jana für ihr Engagement die Hinrichtung?“
(Anknüpfen an Vorwissen zum reflektierten/fehlenden Geschichtsbewusstsein).
Erwartungen und Intentionen
Was soll mit dieser Phase konkret erreicht werden?
Die Schülerinnen und Schüler aktivieren ihr Vorwissen zu Sophie Scholl und formulieren ggf. Fragen zu den Dingen, die sie nicht kennen:
- Widerstand (Begriffsklärung)
- Sophie Scholl (Vergleich berechtigt? ⇒ Biografie, Taten, Leben, Vgl. Lebensbedingungen im Rechtsstaat vs. Diktatur).
- Vergleich BRD – Nationalsozialismus (Verharmlosung des Nationalsozialismus hier?)
Sie können ggf. auch die Frage formulieren, ob Janas Auftreten und Äußerungen eine Entwürdigung von Sophie Scholls Taten und Lebenswerk darstellt.
Material
Womit soll das umgesetzt werden?
M2 Bericht aus dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 06.05.2021 zu Sophie Scholl
3. Lernprodukte erstellen
Interaktion und Kommunikation
Was soll in der jeweiligen Phase geschehen?
Um die Lebensläufe, Lebenswelten sowie aus ihrem Handeln erwachsenen Konsequenzen vergleichen zu können, sollen die Schülerinnen und Schüler eine Tabelle anlegen und Informationen zu unterschiedlichen Kategorien eintragen:
- Lebenswelt
- politisches System
- Sozialisation
- Welche Konsequenzen drohen beim Ausscheren?
- Alter/Wann gelebt (von [...] bis [...])/Geburtsdatum
- Gegen was widersetzen sie sich? Welche Konsequenzen haben die beiden zu erwarten?
- ...
Jana aus Kassel und Sophie Scholl wurden zu unterschiedlichen Zeiten unter unterschiedlichen politischen Herrschaftssystemen groß. Ihre Handlungen haben unterschiedliche Konsequenzen gehabt. Ihre Lebensläufe unterscheiden sich daher sehr.
Die Schülerinnen und Schüler werden dazu aufgefordert, ihre Ergebnisse in Form einer analogen oder digitalen Präsentation vortragen zu können (Plakate, PowerPoint-Präsentationen, selbsterstellte Videos, Interviews).
Erwartungen und Intentionen
Was soll mit dieser Phase konkret erreicht werden?
Die Schülerinnen und Schüler recherchieren und tragen Wissen zusammen, um die Unterschiedlichkeit der Lebensläufe, Lebenswelten sowie die Konsequenzen des Handelns von Jana aus Kassel und Sophie Scholl vergleichen zu können.
Im nächsten Schritt geht es zunächst darum, die Ergebnisse zu veröffentlichen, ggf. zu vergleichen und zu diskutieren.
Die Lernenden sollen hier in die Lage versetzt werden, am Ende die Zulässigkeit des Vergleichs auf der Grundlage eines reflektierten Geschichtsbewusstseins beurteilen zu können.
Material
Womit soll das umgesetzt werden?
Presseartikel:
M2 Bericht aus dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 06.05.2021 zu Sophie Scholl
Rechercheauftrag an Schülerinnen und Schüler, Informationen zu den Fragen zu ermitteln und zu kuratieren (Tipp: Sophie-Scholl-Schulen verfügen meist über umfangreiche Informationen)
4. Lernprodukte diskutieren
Interaktion und Kommunikation
Was soll in der jeweiligen Phase geschehen?
Die Kleingruppen vergleichen ihre Tabellen (Pair-Share). Ergebnisse werden gesammelt, verglichen, besprochen.
Erwartungen und Intentionen
Was soll mit dieser Phase konkret erreicht werden?
Festigung neuen Wissens, Feststellung unterschiedlicher Perspektiven und Deutungen artikulieren können.
Material
Womit soll das umgesetzt werden?
Mit Präsentationen, die durch die Schülerinnen und Schülern erstellt wurden.
5. Sichern und vernetzen
Interaktion und Kommunikation
Was soll in der jeweiligen Phase geschehen?
Die Recherche-Ergebnisse aus den Phasen 3 „Lernprodukt erstellen" und 4 „Lernprodukt diskutieren" sollen miteinander in Beziehung gesetzt, diskutiert und beurteilt werden: „Wie haben die Medien auf Jana aus Kassel reagiert?“
Erwartungen und Intentionen
Was soll mit dieser Phase konkret erreicht werden?
Nachdem die Schülerinnen und Schüler die Lebensläufe, Lebenswelten und Konsequenzen ihres Handelns verglichen haben, können sie nun die Zulässigkeit des Vergleichs beurteilen, indem sie das unterschiedliche Geschichtsbewusstsein von Jana und ihrem Ordner heranziehen.
Die Reaktionen auf die Rede von Jana aus Kassel in den Medien werden miteinander verglichen, unterschiedliche und ähnliche Tendenzen herausgestellt. Sie illustrieren den Schülerinnen und Schüler, dass man sich auch öffentlich durch unreflektierte Äußerungen lächerlich machen kann.
Die SuS stellen fest, dass Jana über ein unreflektiertes Geschichtsbewusstsein verfügt. Ihr Vergleich mit Sophie Scholl und ihrem Widerstand ist unhaltbar.
Material
Womit soll das umgesetzt werden?
Vorschläge:
M3 Video „Jana aus Kassel – Das Musical ZDF Magazine Royale:
M4 Video „Fühle mich wie Sophie Scholl“ – Querdenker blamieren sich /WALULIS DAILY:
M5 Video „Querdenker: die selbsternannten Widerstandskämpfer | heute-show vom 27.11.2020:
6. Transferieren und festigen
Interaktion und Kommunikation
Was soll in der jeweiligen Phase geschehen?
Die Schülerinnen und Schüler werden mit dem rechten Bild M9 des Davidsterns mit der Aufschrift "ungeimpft" konfrontiert und äußern ihre Gedanken hierzu.
Anschließend wird das linke Bild von M9 mit dem "Judenstern" auf der Sträflingskleidung gezeigt.
Im UG sollen die Schülerinnen und Schüler sich vergleichend zu der Verwendung der Symbole äußern. Je nach Ausgangslage (Niveau, Vorwissen etc.) der Lerngruppe ordnet die Lehrkraft die Bilder kurz in den jeweiligen zeitlichen und situativen Kontext ein.
Sie erinnert an die in der fünften Phase gesicherten und vernetzten Erkenntnisse.
Die Lehrkraft stellt die Frage: "Über welches Geschichtsbewusstsein verfügt die Person auf dem rechten Bild? Ist das Tragen des "Davidsterns ungeimpft" eine Verunglimpfung der Opfer des Nationalsozialismus? Welches Geschichtsbewusstsein wird hier deutlich? (reflektiert/unreflektiert)"
Hierzu sollen die Schülerinnen und Schüler ein (kleines) Rollenspiel in Dialogform entwickeln. Eine Person übernimmt die Rolle des Trägers des Davidsterns "ungeimpft" und eine andere die des Kritikers (siehe auch M 12: "Sprechblasen"). Hierbei können zur Unterstützung die aus der historischen Perspektive relevanten Begriffe "reflektiertes Geschichtsbewusstsein", "Meinungsfreiheit", "Stigmatisierung", "Bedeutung im Nationalsozialismus", "Rolle des Symbols", [...] vorgegeben werden. Aus politikdidaktischer Sicht können sie mithilfe der vorgegebenen Begriffe ebenfalls ihre Politikkompetenz erweitern: "Rechtsstaatlichkeit", "Interessen", "Manipulation", "Willkür", "Selbstbestimmung" [...].
Optional: Aus politikdidaktischer Sichtweise kann die Frage nach der Legitimität in den folgenden Unterrichtsstunden untersucht werden: Müssen/sollten Gesetze geändert werden? (Verbot des Tragens auf Demos, Urteile wegen Volksverhetzung)
Erwartungen und Intentionen
Was soll mit dieser Phase konkret erreicht werden?
Antizipiert wird, dass die Schülerinnen und Schüler an das fehlerhafte bzw. unreflektierte Geschichtsbewusstsein von Jana aus dem vorangegangen bearbeiteten Fallbeispiel „Jana aus Kassel" erinnert werden. Dort hat ihr unzureichendes Geschichtsbewusstsein zu einer unhaltbaren Gleichsetzung geführt.
Genau hier setzt der Transfer an: Die Schülerinnen und Schüler sollen in die Lage versetzt werden, vor dem Hintergrund ihres erworbenen Wissens, eine konflikthafte situierte Situation in ihrer historischen und politischen Dimension zu erfassen.
Ziel: Erkenntnis, Fähigkeit zum Transfers überprüfen: Hat eine Kompetenzerweiterung stattgefunden?
In dieser Performanzsituation zeigt sich, ob die Schülerinnen und Schüler auf die vorigen Kompetenzen zurückgreifen können und ihr Geschichtsbewusstsein erweitert haben.
Material
Womit soll das umgesetzt werden?
M9 Bild "Judenstern" auf blau-weißer Kleidung neben Bild "Davidstern ungeimpft"
Unterstützungsmaterial (je nach Ausgangslage/Vorwissen der Lerngruppe)
M10 Historischer Kontext und politischer Kontext „Davidstern"
M12 Sprechblasen zum Tragen des Davidsterns "ungeimpft"
Weiterführende Informationen
M 9

M 10
Historischer Kontext
Der Davidstern, (benannt nach König David, um 1000 v. Chr.) ist ein Zeichen, das aus zwei umgekehrt ineinander gelegten Dreiecken einen Sechsstern bildet (Hexagramm). Im Hellenismus und im Frühmittelalter wurde das Hexagramm von Juden und Nichtjuden als dekoratives Element verwendet (Kirchen, Moscheen, Friedhöfe), als Schutz- (Talisman) und Zunftzeichen (Brauerstern)., etc.; später wurde es zum eindeutigen, religiösen Symbol der Juden. Als im Mittelalter Juden fälschlicherweise für Seuchen und Verbrechen verantwortlich gemacht wurden (Sündenbocktheorie), mussten sie zur Kennzeichnung einen gelben Kreis auf ihrer Kleidung tragen (Vorläufer des gelben "Judensterns"). Im Nationalsozialismus wurde der "Judenstern" dazu verwendet, Juden zu stigmatisieren, zu diskriminieren und zu verfolgen – eine Vorstufe zur systematischen Massenvernichtung der Juden. Seither gilt der gelbe "Judenstern" als Symbol für das erlittene Leid der Juden im Holocaust.
Seit 1948 ziert der Davidstern die israelische Flagge.
Politischer Kontext
Im Zuge der Corona-Pandemie kam es ab 2020 zu „Hygiene- Demonstrationen“. Tausende gingen auf die Straße und protestierten gegen die Infektionsschutz-Maßnahmen, oft ohne die Hygieneregeln einzuhalten. Darunter befanden sich auch Impfgegner; manche von ihnen trugen einen nachgebildeten "Judenstern", der unmissverständlich auf den "Judenstern" rekurriert, den jüdische Menschen im „Dritten Reich“ tragen mussten.
Obgleich die Szene selbst heterogen ist, ließen sich bei aller Verschiedenheit auch einende Elemente feststellen: der Glaube an Verschwörungsmythen, ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Staat, bis hin zu der Intention, das demokratische System auszuhebeln.
M 11
Was ist ein Symbol?
Symbole sind Sinnbilder, die in Form eines bildhaften Zeichens auf etwas verweisen, dass keine Ähnlichkeit mit dem Symbolisierten hat: z. B. weiße Taube für Frieden – ein konventionalisiertes Symbol, das sich in seinem Verweisungscharakter schnell erschöpft. Symbole können aber auch im Laufe der Zeit eine Umdeutung erfahren: „gelber Judenstern“ im Nationalsozialismus für Stigmatisierung, Ausgrenzung und Verfolgung der Juden; im aktuellen Kontext (Corona-Pandemie): "gelber Judenstern" mit Aufschrift „ungeimpft“, bemächtigt sich des Leids der Holocaustopfer, um die Sorge vor einer möglichen Stigmatisierung von Impfgegnern auszudrücken.
M 12 Verschränkung zweier Diskurse: Debatte um Impfpflicht und Nutzung eines antisemitischen Narrativs in Form der Gleichsetzung mit den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus

M 13 Was ist Antisemitismus? – Arbeitsdefinition der „International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) M 3
Die IHRA (Internationale Allianz zum Holocaustgedenken) wurde 1998 in Stockholm gegründet. Ziele sind die Aufklärung, die Erforschung und die Erinnerung des Holocaust weltweit zu fördern und den Antisemitismus zu bekämpfen.
Am 26. Mai 2016, entschied das Plenum in Bukarest die folgende nicht rechtsverbindliche Arbeitsdefinition von Antisemitismus anzunehmen:
Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.
"Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten. [...] Der Antisemitismus manifestiert sich in Wort, Schrift und Bild sowie in anderen Handlungsformen, er benutzt unheilvolle Stereotype und unterstellt negative Charakterzüge."
Aktuelle Beispiele von Antisemitismus im öffentlichen Leben, in den Medien, Schulen, am Arbeitsplatz und in der religiösen Sphäre können unter Berücksichtigung des Gesamtkontexts folgendes Verhalten einschließen, ohne darauf beschränkt zu sein:
- Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben.
- [...] Antisemitische Taten sind Straftaten, wenn sie als solche vom Gesetz bestimmt sind (z.B. in einigen Ländern die Leugnung des Holocausts oder die Verbreitung antisemitischer Materialien).
- [...] Der hier vorgelegten Definition liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Leugnung und Verfälschung des Holocaust sowohl national als auch international bekämpft und geächtet sowie weltweit untersucht werden müssen.
Siehe auch die Seiten der IHRA.