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Aufgabenformate im kompetenzorientierten Geschichtsunterricht

Zwei Hände malen mit Buntstiften auf einem Papier

Mit der Implementierung der kompetenzorientierten Lehrpläne im Fach Geschichte wurde auch die Frage virulent, wie Lernprozesse bei Schülerinnen und Schülern angeleitet werden können. Die Bedeutung von Aufgabenformaten rückte also in den Mittelpunkt, da Aufgaben Lernprozesse systematisch anleiten und unterstützen sollen. Dabei muss es darum gehen, immer die spezifisch historischen Fragestellungen in den Blick zu nehmen.
Die Kompetenzbereiche der Kernlehrpläne beziehen sich auf die Sach-, Urteils-, Methoden- und Handlungskompetenzen, die jeweils in die drei Anforderungsbereiche basal, intermediär und elaboriert untergliedert sind. 

Da alle Schülerinnen und Schüler Kompetenzzuwächse in den genannten Bereichen progressiv erwerben sollen, müssen sich diese Anforderungen auch in den Aufgabenformaten im Geschichtsunterricht wiederfinden. Gleichzeitig bilden gut formulierte Aufgaben die Grundlage für differenziertes oder individualisiertes Lernen im Geschichtsunterricht.

Die Ausführungen an dieser Stelle beziehen sich auf die normativen (administrativen) Vorgaben des Landes NRW. Die fachdidaktische Diskussion zu der Frage, wie Aufgabenformate im Geschichtsunterricht gestaltet sein sollen, begann 2010, ist aber noch nicht abgeschlossen. Unterschieden werden allgemein und noch zu wenig spezifisch historisch:

Arbeitsauftrag

Aufgabe, die sich in der Regel auf die Erarbeitungsphase bezieht und kleinschrittig in einzelne Arbeitsschritte mit Arbeitstechniken aufgeteilt ist.

Beispiel

  1. Lies die Texte M1 und M2.
  2. Unterstreiche in beiden Texten Informationen zu:
    1. dem Aussehen (in rot)
    2. der Kleidung (in grün)
    3. den Waffen und Werkzeugen (in blau)
    4. dem Verhalten (in schwarz)
  3. Notiere diese Informationen im Venn-Diagramm M3. (Glossar mit Kurzerklärung, Abb.)

Feld A: Informationen, die nur im Jugendbuch genannt werden

Feld B: Informationen, die nur im Lexikonartikel genannt werden

Feld C: Informationen, die in beiden Texten genannt werden

Aufgabe

Die Bezeichnung wird häufig synonym zur Bezeichnung Arbeitsauftrag in der Erarbeitungsphase verwendet, unterscheidet sich jedoch dadurch, dass sie weniger kleinschrittig ist.

Beispiel:

Beschreibe mithilfe der M1 und M2, wie sich die Darstellungen Ötzis unterscheiden.

Lernaufgaben im Geschichtsunterricht

Eine Lernaufgabe bezeichnet weitgehend offene Aufgabenstellungen, die vor allem in offenen Lernformen oder in der Lernzeit bearbeitet werden können. Sie können jedoch auch für Einzelstunden formuliert werden.

Lernaufgaben weisen folgende Merkmale auf (nach Dietrich (2018), S. II-III):

  1. Situiertheit und Authentizität: Lernaufgaben stellen nach Möglichkeit einen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler her und weisen über den Geschichtsunterricht hinaus.
  2. Sachgebundenheit: Lernaufgaben beziehen sich auf konkrete historische Phänomene und ermöglichen es, historische Bezüge herzustellen.
  3. Aktivierung: Lernaufgaben sind mithilfe der Operatoren so formuliert, dass Schülerinnen und Schüler angeregt werden, eigenständig Denk- und Arbeitsprozesse durchzuführen.
  4. Motivation: Lernaufgaben sind angemessen und so gestaltet, dass sie Schülerinnen und Schülern individuellen Lernerfolg ermöglichen. (→ Differenzierung)
  5. Passung: Lernaufgaben sind auf die fachdidaktischen Prinzipien, die dem Geschichtsunterricht planerisch zugrunde liegen, abgestimmt.
  6. Prozessorientierung: Lernaufgaben sind so gestaltet, dass sie über die Phasen des Unterrichts hinweg tragend sind und Kohärenz im Lernprozess herstellen.

Beispiel

Der Fund des Gletschermannes „Ötzi“ im Jahr 1995 galt als Sensation, da die Mumie sehr gut erhalten war und deshalb von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erforscht werden konnte.

Der Fund der Mumie in Ägypten galt als Sensation, da sie sehr gut erhalten war und deshalb von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erforscht werden konnte. (Beispiel Heike und Susanne)

  1. Lies die Texte M1 (Jugendbuch) und M2 (Sachbuch).
  2. Nenne Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Darstellungen. Markiere die Textstellen.
  3. Vergleiche die Informationen aus den Texten M1 und M2. Was wird gleich, was wird unterschiedlich dargestellt?
  4. Überprüfe deine Ergebnisse mit einem Partner.
  5. Diskutiert, warum die Darstellung Unterschiede aufweist.
  6. Präsentiert eure Ergebnisse vor der Klasse.

Gütekriterien für Lernaufgaben im Fach Geschichte (Thünemann (2016), S. 6)

Das von Thünemann vorgestellte Modell für die Formulierung von Lernaufgaben im Geschichtsunterricht basiert auf den Anforderungen an den kompetenzorientierten Geschichtsunterricht. Dafür bildet das „Historische Erzählen“ (Narrativität, Rekonstruktion, Dekonstruktion) den Rahmen, auf den sich die Formulierungen konkreter Aufgabenstellungen beziehen.

Schaubild

Schaubild Historisches Erzählen

Literatur

Bernhardt, Markus/Köster, Manuel/Thünemann, Holger (2016): „Aufgaben im Geschichtsunterricht. Typen, Gütekriterien und Konstruktionsprinzipien“. In: Geschichte Lernen. Nr. 174-2016. S. 2-10.

Dietrich, Tobias (2018): „Lernaufgaben“. In: Praxis Geschichte. Nr. 2-2018, I-IV.

Thünemann, Holger (2013): „Historische Lernaufgaben. Theoretische Überlegungen, empirische Befunde und forschungspragmatische Perspektiven“. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik. Nr. 12-2013. S. 141 – 155.